Schein und sein

Das Wichtigste im Leben sind Ehrlichkeit und Fairness. Wenn du diese beiden Sachen gut vortäuschen kannst, dann hast du’s geschafft.

Groucho Marx zugeschrieben

 

Wir spielen in vielen Bereichen das Theater nach dem Skript der Industriegesellschaft, obwohl wir die Rollen, die hier vorgeschreiben sind, in den Verhältnissen, in denen wir handeln und leben, gar nicht mehr ausüben können, und wir spielen sie uns und anderen vor, obwohl wir gleichzeitig wissen, dass alles im Grund ganz anders verläuft. Die Gestik des „Als-Ob” beherrscht vom 19. ins 21. Jahrhundert die Szene. Wissenschaftler tun so, als ob sie Wahrheit gepachtet hätten, und müssen dies nach außen hin auch, weil davon ihre ganze Stellung abhängt. Politiker sind - insbesondere in Wahrlkämpfen - verpflichtet, eine Entscheidungsgewalt vorzutäuschen, von der sie doch am besten selbst wissen, dass sie eine systembedingte Legende ist, die bei der nächsten Gelegenheit auch ihnen um die Ohren geschlagen werden kann. Diese Fiktionen haben ihre Realität in dem funktionalen Rollenspiel und Machtgefüge der Industriegesellschaft. Sie haben aber auch ihre Irrealität in dem entstandenen Dschungel von Unübersichtlichkeiten, der gerade ein Ergebnis reflexiver Modernisierungen ist. Ob dadurch Not erzeugt oder abgebaut wird und in welcher Hinsicht was gilt, ist nicht zuletzt deswegen so schwer entscheidbar geworden, weil das Koordinatensystem der Begriffe selbst betroffen ist und verschwimmt.

Ulrich Beck, aus dem Buch „Risikogesellschaft, Auf dem Weg in eine andere Moderne”, Taschenbuchausgabe im Surkampverlag 1986, Seite 370f.

 

Da der Erfolg weitgehend davon abhängt, wie gut man seine Persönlichkeit  verkauft, erlebt man sich als Ware oder richtiger: gleichzeitig als Verkäufer und zu verkaufende Ware. Der Mensch kümmert sich nicht mehr um sein Leben und sein Glück, sondern um seine Verkäuflichkeit..."Ich bin so, wie du mich haben möchtest."

Erich Fromm: Haben oder Sein 1976, Ausgabe dtv1979, Seite181

 

Wer unbewußt verzweifelt, nach außen aber eine Maske von Optimismus zur Schau trägt, handelt nicht gerade weise. Wer aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat, kann nur dann Erfolg haben, wenn er realistisch denkt, alle Illusionen über Bord wirft und den Problemen ins Auge sieht.

Erich Fromm: Haben oder Sein 1976, Ausgabe dtv1979, Seite 211

Das wird zusätzlich dadurch erschwert, dass die Masse, lieber Märchenerzählern zuhört und brav Formalien einhält, anstatt sich mit widersprüchlichen Realitäten ernsthaft zu befassen.