Untertanengeist

Der eine fragt: Was kommt danach?
Der andre fragt nur: Ist es recht?
Und also unterscheidet sich
der Freie von dem Knecht.

Theodor Storm

(1817 - 1888), Hans Theodor Woldsen Storm, deutscher Jurist, Dichter und Novellist

Mitdenken, sinnvolles tun wollen, das vielleicht auch etwas länger Bestand hat, scheint damals wie heute nur in Sonntagsreden gewollt zu sein. Im normalen Alltag richtet man sich ganz bequem im Kadavergehorsam ein. Freiheit überfordert anscheinend.

 

"Das ist eine der furchtbaren Charakterschwächen der Deutschen: dieses Sichgewöhnen an alle Einrichtungen des Ungeistes, dieses Sichunterordnen unter die Gesetze der Unmenschlichkeit, dieses Sichwohlfühlen in der Knechtschaft, diese Scheu vor der Verantwortung, dieses Nichthören auf den Ruf des eigenen Gewissens."

Ernst Toller 1919 nach der blutigen Niederschlagung der bayerischen Räterepublik aus dem Gefängnis in Stadelheim

Ich hatte eigentlich gedacht, dass nach 1968 und nach einer friedlichen Revolution 1989 der Untertanengeist endgültig eine Minderheitenpossition ist. Ich werde inzwischen täglich eines anderen belehrt. Auch die sogenannten Revolutionäre "Wir sind das Volk", in den Betrieben, in den Vereinen, an den Hochschulen und sogar in den Kirchen sehnen sich alle nach einer väterlichen oder mütterlichen Führung, die alles recht macht, kein kritisches Mitdenken erfordert, auf die man bei Bedarf schimpfen kann und trotzdem schön brav ist, dass man nur keine Verantwortung selbst übernehmen muss. Demokratie kann mit dieser Besitzstandswahrungs-Bequemlichkeit auf Dauer nicht funktionieren. Es drohen wieder autoritäre Zeiten. Russland und China sind nicht zurück geblieben, sondern Trendsetter. Solon, Platon, Aristides, Cincinnatus, Thomas Morus, Descartes, Kant, Benjamin Franklin, von Stein, Heine, List, Stresemann, Stauffenberg, Robert Schumann, Havel, Mandela - alle vergessen, als ob nichts gewesen wäre.